Kirche und Kunst
Der moderne Kirchenbau mit seinen Kunstwerken ist eine Deutung von Welt und Zeit als Übergang vom Dunkel ins Licht.
„Wie eine österliche Verheißung im Angesicht von Plötzensee“ (Architekt Hans Schädel)
Der Feierhof mit dem Kreuzweg
Der Besucher betritt den großen, von hohen Mauern umgebenen Feierhof durch das Tor unter dem Glockenturm oder durch einen zweiten Eingang neben dem Gästebereich des Klosters. Die Wände mit schwarz-grauen, aus Basaltkiesel gegossenen Platten erinnern an Gefängnismauern, ohne es sein zu wollen. Die Architekten Hans Schädel und Friedrich Ebert beabsichtigten, eine dunkle Zone zu schaffen, eine Zone der Bedrohtheit, Gefangenschaft, Trauer und des Todes.
An der Ostwand des Feierhofs befindet sich der dunkle, in Bronze gegossene Kreuzweg des Bildhauers Otto Herbert Hajek. Die einzelnen Stationen sind in unterschiedlich großen Gruppen in einem mehrteiligen Relief zusammengefasst. Der Leidensweg Christi wurde als Symbol für das Martyrium der Opfer der NS-Zeit ausgewählt und lädt den Besucher ein, sich auf das Leiden der Märtyrer einzulassen.
Da der Feierhof ursprünglich für kirchliche Großveranstaltungen geplant war, wurde ein ebenfalls von Otto Herbert Hajek geschaffener Freialtar aufgestellt. Eine flach abfallende Terassierung des Platzes, die Achtsamkeit einfordert und den Schritt entschleunigt, führt hinab zu ihm. Der mächtige, bronzene Block ist in seinem Sockel von einem Dornenmotiv umfasst. In dieser Krone ist ein Zeichen gesetzt, das den Altar in besonderer Weise als Stätte des Gedächtnisses des Todes Christi kennzeichnet. Alles Leiden und Sterben, dessen in diesem Raum gedacht wird, findet im Erlösungswerk Christi seine Deutung.
Die Gedenkkirche Maria Regina Martyrum
Vom dunklen Innenhof geht man zu dem lichten und strahlend leuchtenden, schwebenden Kubus. Der von dem Architekten Hans Schädel entworfene Kirchenbau thront majestätisch über dem weiten Feierhof. Die Kirche ist ein zweigeschossiger Längsbau, der den Charakter des Gedächtnis- und Gedenkortes betont. Der weiße Kubus, die Oberkirche, wird getragen von zwei dunklen Wandscheiben und der östlichen Umfassungsmauer mit dem Kreuzweg. Er erstrahlt als Hoffnungszeichen über dem Dunkel, ein Symbol für die Himmelswelt, ein Licht, das in uns hineinwirkt.
Über dem Eingangsportal befindet sich das weit sichtbare monumentale, vergoldete Bronzerelief von Fritz Koenig. Die „Apokalyptische Frau“ (Offenbarung 12,1-6) in der Sonne, die in Erwartung der Geburt Christi vom siebenköpfigen Drachen, der Ausgeburt der Hölle, verfolgt und bedroht wird – die Mächte des Unheils können sie gefährden, aber nicht verderben. In der Bauzeit der Kirche sah die Exegese in der „Frau“ unmittelbar ein Symbol Marias. So konnte die „Frau“ in der Verfolgung durch den Drachen als „Königin der Märtyrer“ gedeutet werden.
Die Oberkirche
Innen gelangt man über eine Treppe nach oben zunächst in die kleine Taufkapelle und dann in den großen Kirchenraum, dessen Betonwände fensterlos sind. Das Licht dringt ausnahmslos auf indirekte Weise durch Lichtbänder über die eingehängte Flachdecke und zuseiten der Stirnwände ein. Die Altarwand trägt das große farbige Wandbild von Georg Meistermann. Dieses Altarbild, das die Vision des Himmlischen Jerusalem aus der Offenbarung des Johannes zeigt, ist Abschluss und Hinweis zugleich: Es schließt den Kirchenraum nach Osten ab – zur aufgehenden Sonne hin als Symbol für den auferstandenen Christus und zugleich ist es ausgerichtet auf die Gedenkstätte Plötzensee, die etwa 1,5 Kilometer östlich der Kirche liegt.
Georg Meistermann hat an diesem historisch so belasteten Ort den Ausblick in die uns im Glauben verheißene Vollendung gewagt. Das, was in der Liturgie der Heiligen Messe geschieht, die Verzahnung von Himmel und Erde, die Verbindung von im Glauben erwarteter himmlischer Vollendung und jetzigem zerbrechlichen menschlichen Tun, wird mit den Mitteln der ganzen malerischen Breite auf dieser 123 m² großen Altarwand entfaltet. In dieser vom symbolischen Licht- und Finsternisdenken bestimmten Farbarchitektur bleibt das Lamm, das ausgerichtet ist auf das „Auge Gottes“ als Zeichen für den gegenwärtigen Gott, signifikantes Symbol der weltvollendeten Herrschaft Christi.
Der Tod ist nicht das Ende, sondern der Übergang zum Leben in der Gemeinschaft mit Gott.
Die Unterkirche
In der Unterkirche (Krypta) befindet sich vor einer Goldwand, die als Trennwand zwischen dem Gedenkraum und der Andachtskapelle der Schwestern dient, die zweite von Fritz Koenig geschaffene Plastik für Maria Regina Martyrum, die „Pietà“, das Vesperbild der Schmerzensmutter Maria, die den Leichnam ihres Sohnes Jesus auf ihrem Schoß hält. Das Aufgehobensein des Todes im Leben tritt dem Betrachter plastisch entgegen in dem gewölbten Leib der Mutter. Er bildet den Schnittpunkt zwischen der hochaufgerichteten Gestalt der Mutter und dem in Todesstarre gehaltenen Sohn. Beide verschmelzen zur Form und zum Zeichen des Kreuzes. Unter diesem Vorzeichen wird die Mutter der Schmerzen zur Mutter neuen Lebens. Die Skulptur der Pietà wird zum Symbol aller, die glauben, hoffen und lieben und die so den Sieg des Kreuzes, den Sieg des Lebens über den Tod, in ihr eigenes Leben einlassen. Sie wird zum Konzentrationspunkt des Gedenkens und des Gebetes.
Allen Blutzeugen, denen das Grab verweigert wurde. Allen Blutzeugen, deren Gräber unbekannt sind.
So lautet die Inschrift zu Füßen der Pietà. Damit sind die in Plötzensee und an anderen Orten hingerichteten Opfer des Widerstands gemeint. Den meisten von ihnen wurde das Grab verweigert, ihre Asche auf die Rieselfelder Berlins verstreut. Täglich versammeln sich hier die Schwestern und Besucher nach dem Mittagsgebet in der Kapelle zum Gebet um Frieden. Vier dieser Blutzeugen werden an diesem Ort namentlich genannt: Erich Klausener, der Vorsitzende der Katholischen Aktion in Berlin, dessen Urnengrab sich auch hier befindet, der Berliner Dompropst Bernhard Lichtenberg, der Jesuitenpater Alfred Delp und der Protestant Helmuth James Graf von Moltke. Sie nahmen die Nachfolge Christi ernst und besiegelten ihren Glauben mit dem Tod. In der Schwachheit des Todes dieser Glaubenszeugen hat Gott gezeigt, dass die Liebe stärker ist als der Tod.
Führungen
Für interessierte Gruppen bieten wir Schwestern Führungen durch die Gedenkkirche an. Es gibt auch spezielle Angebote für Schulklassen, Jugendgruppen, Firm- und Konfirmandengruppen.
Wir bitten um eine telefonische Anmeldung
unter Tel. 030 / 364 117-0.
Einen Kirchenführer und eine DVD über die Gedenkkirche können Sie am Kircheneingang oder in unserem Klosterladen erwerben.
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Schwesternportrait
Sr. Mirjam
Seit der Gründung unseres Klosters, dem Karmel Regina Martyrum, 1984, lebe ich hier, neben der Gedenkkirche Maria Regina Martyrum. Dieser Ort, angebunden an den geschichtsbeladenen Ort in der Nähe, Plötzensee, war mir von Anfang an eine Herausforderung. Weiterlesen ...
Dieser Ort birgt ein Geheimnis.
Dieser Ort birgt ein Geheimnis; das erlebe ich, wenn ich allein in unserer Kirche bin, um einen Gottesdienst vorzubereiten, beim Schmücken der Kirche mit Blumen, wenn wir Gottesdienst feiern, am Werktag in der Krypta oder am Sonntag mit der großen Gottesdienstgemeinde in der Oberkirche oder wenn ich Einzelne und Gruppen begleite, die die Gedenkkirche besuchen.
Unsere Kirche bietet einen Raum an, jenseits von Erwartetem. Oft ist der Besucher zuerst einmal sprachlos, und ich teile diese Sprachlosigkeit immer wieder neu, angesichts des Ortes mit allem, was seine Architektur und Kunst vermitteln.
Ein Raum des Erinnerns an Dunkles und Lichtes tut sich auf. Alles, was ich mitbringe, hat Platz. Jedes Anliegen, jede Bitte kann ich bei der Pietà in der Krypta mit dem Entzünden einer Kerze ablegen. Bei vielen Besuchern erlebe ich eine tiefe Dankbarkeit und ein großes Vertrauen, dass wir Schwestern ihre Sorgen, hier an diesem Ort, mit in unsere Fürbitte hineinnehmen.
In der Oberkirche lädt mich das große Altargemälde von Georg Meistermann ein, Gottes Verheißung zu trauen.
So ist diese Kirche, neben der ich leben darf – mit der ich lebe – für mich immer mehr zu meinem Ort geworden – ein spiritueller Ort der Stille, des Gebetes – ein Ort des Gedenkens und Erinnerns – auch ein ökumenischer Ort, denn unsere gelebte Ökumene hier baut auf der Ökumene der Märtyrer von Plötzensee auf. Unsere Gedenkkirche ist ein Ort der Begegnung für viele: Christen und Nichtchristen, für Glaubende und Nichtglaubende, für Menschen aus verschiedenen Kulturen, für Kunstinteressierte und Geschichtskundige, für Junge und Alte.
Ich erlebe, wie junge Menschen die Botschaft dieses Ortes verstehen, sie ahnen das Unverstehbare, das die Kunst anschaulich macht. Sie begegnen hier Vergangenem, auch dann, wenn es keine Zeitzeugen mehr gibt – und sie begegnen gleichzeitig Gegenwärtigem. Mahnende Erinnerung kann zur wachen Verantwortung werden. So stärkt dieser Ort. Für mich ist es ein Hoffnungsort. Er hilft mir und vielen, die hierherkommen, den Verheißungen Gottes heute zu trauen.
Sr. Mirjam Fuchs OCD